"Word selbst ist kein Programm, um damit intelligente Vorlagen zu bauen."

 

Es bestimmt den Alltag vieler Juristen: die Erstellung von Dokumenten und Verträgen, zusammengefügt durch Copy and Paste aus den letzten Akten und das schlimmstenfalls über mehrere Tage. Doch durch die Wiederholbarkeit von Klauseln besteht viel Raum, zu automatisieren. Daher ist LAWLIFT für viele Kanzleien bereits das Synonym für die Erstellung eines Dokumentes aus einer intelligenten Vorlage. Viele fragen nur noch, ob man das Dokument nicht schon gelawlifted hätte. Doch was steckt wirklich hinter dem Startup, das mit einer einfachen Bedienbarkeit erfreut und wo keine Programmierkenntnisse erforderlich sind? Darüber haben wir in diesem Interview mit Co-Founder Steffen Bunnenberg gesprochen und mehr über die Entwicklung im Legal Tech Markt erfahren.  - Johannes Honemann


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Anfangs hat Steffen Bunnenberg den klassischen juristischen Berufsweg als Anwalt und Mediator eingeschlagen. Über eine erste Anwaltsstelle hat er zusammen mit Konstantin Bertram eine eigene Boutique für Internet- und Medienrecht im Berliner Westen gegründet. Doch viele redundante Arbeitsschritte im Kanzleialltag bewegten die beiden dazu, ihr eigenes Software-Unternehmen aufzubauen. LAWLIFT ist heute eines der größten Startups für Dokumentenautomatisierung in Deutschland und zeigt, wie aus der Idee zur Selbsthilfe ein erfolgreiches Legal Tech Startup werden kann. 


Lieber Steffen, gibt es in zehn Jahren noch Notariatsfachangestellte oder bekommt ihr bereits erste Drohbriefe, weil sie womöglich bald ihre Arbeit verlieren könnten?

Nein, Notariatsfachangestellte müssen keine Angst haben. Nach unserer Erfahrung haben die Leute häufig Angst, ihren Job zu verlieren, sobald es um das Thema Effizienzsteigerung geht. Diese Angst hat sich bisher aber nicht bewahrheiten können. Zurzeit sind Notariate überlastet und Mitarbeiter werden dringend gesucht. Abläufe werden komplexer, es müssen immer mehr Dokumente generiert und viele verschiedene Aspekte berücksichtigt werden. Da wird es an Arbeit nicht mangeln - sie wird nur besser und schneller durch Lösungen wie unsere erledigt werden. Deshalb sollten sich auch Notariatsfachangestellte mit dem Thema Legal Tech beschäftigen.


Wie kam es denn überhaupt zur Gründung von LAWLIFT?

Konstantin Bertram und ich haben im Jahr 2010 angefangen, unsere eigene Kanzlei aufzubauen. Nach ein paar Jahren stellten wir fest, dass die Abläufe schwerfälliger wurden, je mehr wir wuchsen. Was macht der Anwalt den ganzen Tag? Er generiert Dokumente. Je spezialisierter er ist, umso öfter mit redundanten Anteilen. Das schmerzt. Es gibt zwar den ein oder anderen, aber in sehr vielen Fällen arbeiten noch heute viele Menschen mit nicht besonders komplexen Word Vorlagen. Wir dachten, dass es im Zeitalter des iPhones doch Software geben muss, die dabei hilft, ohne dass man dafür programmieren lernen muss. Word selbst ist kein Programm, um damit intelligente Vorlagen zu bauen. Es ist einfach nicht dafür gemacht. Ob jedes Plugin bei jedem Update von Word dann auch noch funktioniert, ist ungewiss. Deshalb haben wir 2015 geschaut, was es für Softwarelösungen auf dem Markt gibt. Es existierten nur angloamerikanische Lösungen, die für Deutschland schon aus berufsrechtlichen Gründen nicht einsetzbar waren. Für kleine Kanzleien war das gar keine Frage, weil sie die Lösungen nur auf ihren eigenen Servern hosten wollten. In unserer ersten Version ging es um allgemeine Geschäftsbedingungen. Der Effekt war mehr als überzeugend. Wir hatten es geschafft, in sehr wenigen Minuten allgemeine Geschäftsbedingungen auf 30 Seiten und mehr fertig zu bauen. Wir dachten uns, dass wir daraus eine Software bauen, die wie Apple den Anspruch hat, einfach bedienbar zu sein. Eine gewisse Intuition sollte ausreichen, um sich reinzufinden. 2017 sind wir live gegangen - vorher hatten wir schon während einer Beta Phase den ersten Preis gewonnen. Das war der STP Innovation Award und danach hat die Reise ihren Lauf genommen.


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LAWLIFT ist eines der bekanntesten Legal Tech Startups Deutschlands und wird von zahlreichen Großkanzleien im Arbeitsalltag genutzt. Das Anwendungsfeld der Software ist die Automatisierung juristischer Dokumente durch die Erstellung intelligenter Vorlagen. Auf diese Weise ist es für den Bearbeiter möglich, in kürzester Zeit einen hochwertigen Entwurf anzufertigen. Dabei besticht die digitale Anwendung durch eine benutzerfreundliche Bedienbarkeit, die keinerlei Programmierkenntnisse erfordert.


Wenn man den Zeitraum von 2015 bis 2017 betrachtet, dann sind das 2 Jahre, in denen ihr euch intern mit der Produktentwicklung beschäftigt habt. Philipp von Bülow hat in unserem ersten Interview gesagt, dass man sein Produkt als Start-up schnell auf die Straße bringen soll. Was würdest du sagen, ist der richtige Weg?

Das kommt drauf an. Erstens, wie viel finanzielle Ressourcen du rein stecken kannst und zweitens, wie der Markt tickt. Die Frage ist: Was hast du für einen Anspruch an das Tool und wofür möchtest du stehen. Es gibt einen schönen Studienvergleich zwischen dem amerikanischen und dem europäischen Gründer. Der amerikanische Gründer sagt, ich verkaufe erstmal die Power Point Präsentation und der typische europäische Gründer sagt, dass es ein Tool sein muss, das schon funktioniert. Wenn ich es verkaufe, dann muss es auch morgen einsetzbar sein. Hinzu kommt die Frage: Sind meine Zielgruppe Unternehmen oder Verbraucher? Ist der Kunde ein Verbraucher, dann sollte ich das Produkt durchaus schnell antesten und dem Lean Startup Approach folgen. Verkauft man seine Software an Unternehmen, dann muss ich unter Umständen nicht eine kleine oder mittelgroße Kanzlei überzeugen, sondern einen DAX Konzern oder eine Großkanzlei. Wenn ich dort mit einer PowerPoint Präsentation ankomme, dann funktioniert das, um in einen Accelerator oder Inkubator reinzukommen. Aber dann hat man noch lange kein Produkt verkauft.


Das hängt aber auch sicherlich damit zusammen, wie die Leute drauf sind. Auf dem amerikanischen Markt gibt es eine ausgeprägtere Kultur des Scheiterns, in der es Gründer auch einfach mal versuchen.

Das spielt natürlich auch eine entscheidende Rolle. Wir wollen es aber auch nicht auf die Spitze treiben. Man muss schauen, ob schon das Potenzial erreicht ist, den nächsten Schritt zu gehen, Feedback einzuholen und diesen Teil bereis zu veröffentlichen, um dann weiter zu bauen. Denn es besteht die Gefahr, dass man nie zum Ende kommt, wenn man sich in Selbstoptimierung verliert. Wie immer liegt die Wahrheit in der goldenen Mitte. Wenn man da ausgewogen rangeht, dann wird es auch funktionieren.


Was ist denn die konkrete Erfolgsformel hinter LAWLIFT?

Wir stellen den Nutzer in den Mittelpunkt und gehen immer einen Schritt weiter, als erwartet wird. Wir versuchen immer, es noch mal einen Tick besser zu gestalten. Und wir bekommen auch gute Vorschläge hinsichtlich Verbesserungspotentialen, wenn wir mit unseren Kunden sprechen. Das ist aber kein ergebnisorientiertes Denken. Wir gehen einen Schritt zurück und abstrahieren das Problem dahinter. Kann ich dieses Problem vielleicht auch noch auf eine andere Art lösen, die eine viel größere Wertschöpfung hat? Auf eine bessere Art lösen, die so gar nicht auf den ersten Blick erkennbar ist? Etwas zu finden, woran man am Anfang nicht gedacht hat, was sich aber im Nachhinein als total selbstverständlich rausstellt, das macht Spaß!


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Vertragsautomatisierung

Vertragsautomatisierung oder auch Dokumentenautomatisierung bezeichnet die Erstellung von Schriftsätzen auf Grundlage eines intelligenten Fragenkatalogs oder Formulars, deren Antworten logisch mit Textbausteinen und Platzhaltern verknüpft sind. Per Mausklick kann so etwa ein korrekt gegenderter Vertrag mit den gewünschten Klauseln, Vertragsparteien und Formalie aufgesetzt werden, ohne eine Word-Vorlage zu bearbeiten.


Eure Konkurrenz bietet ihren Kunden bereits eine Vorlagensammlung an. Euer Modell ist es, dass sich die Kunden ihre Vorlagen selber erstellen. Allerdings ist es doch ein erhöhter Arbeitsaufwand, sich die Vorlage selber zu erstellen, oder?

Ja, das sind zwei komplett unterschiedliche Geschäftsmodelle. Und wir fragen uns auch immer bewusst, ob wir in die Breite gehen und Dokumenten-Management oder Content anbieten wollen oder ob wir in die Höhe gehen und ein zugespitzte Tool anbieten wollen, welches sich nur auf eine Sache konzentriert, diese aber richtig gut macht. Bis jetzt ist unsere Strategie immer aufgegangen. Wir haben uns dazu entschieden, keine eigenen Inhalte anzubieten und das brauchen wir auch gar nicht, denn es gibt viel bessere Player auf diesem Markt, gerade in Deutschland mit der jurisAllianz, dem Otto Schmidt oder Beck Verlag. Wir müssten dort ein viel größeres Know-how in diesem Bereich aufbauen. Wir sind aber kein Verlag, denn letztendlich ist das Geschäft mit Content Kern der Arbeit eines Verlages. Das ist nicht unser Schwerpunkt. Wir sehen uns eher als einen Anbieter von Infrastruktur, der Technik und das Netzwerk schafft. Unsere Kooperation mit dem Otto Schmidt Verlag ist dafür der erste Meilenstein.


Bislang haben die US-amerikanischen Anbieter für Dokumenten- und Vertragsautomatisierung noch nicht den Sprung über den Atlantik gewagt. Wie steht LAWLIFT da, wenn das passiert?

Es gibt tatsächlich schon ein bisschen mehr Wettbewerb als noch vor ein paar Jahren. Bei den Amerikanern war es aber immer schon so, dass die großen Anbieter bereits da waren. Die kleineren sehen wir auch, aber diese unterscheiden sich im konkreten Anwendungsfall, den sie lösen wollen. Da gibt es Lösungen, die einen All-in-One Approach für die Kanzlei anbieten. Das braucht aber nicht jeder Anwalt, denn die meisten Kanzleien haben ihre eigenen Kanzleisoftware ja schon im Einsatz. Oder die Lösungen sind auf einen gewissen Prozess ausgerichtet, eine Transaktion zu begleiten oder die Kommunikation zu managen. Es gibt auch Lösungen, die den Kanzleien ein Portal mit dem Mandanten anbietet. Die großen britischen und amerikanischen Anbieter sind aber auch der Grund, warum es uns gibt. Sie bieten nicht das, was wir jetzt können. Einen leichten, schnellen und beherrschbaren Einstieg in eine zukunftsfähige Technologie.


Mit Hilfe der Software LAWLIFT können Anwälte, Richter und Unternehmensjuristen intelligente Vorlagen erstellen. Dazu erstellen sie Fragen und verknüpfen diese mit korrespondierenden Textbausteinen. Die Bedienung der Software ist intuitiv und erford…

Mit Hilfe der Software LAWLIFT können Anwälte, Richter und Unternehmensjuristen intelligente Vorlagen erstellen. Dazu erstellen sie Fragen und verknüpfen diese mit korrespondierenden Textbausteinen. Die Bedienung der Software ist intuitiv und erfordert keinerlei Programmierkenntnisse.


Wo hat LAWLIFT Verbesserungspotenzial?

Wir haben unheimlich viele Ideen, wie man das Produkt besser machen könnte. Das sind oft Details, es betrifft aber auch das große Ganze. Wo geht der Markt insgesamt hin? Das hat aber natürlich immer damit zu tun, wie gut man vorhersehen kann. Das Feedback unserer Kunden bestärkt uns, mehr Ressourcen in die ein oder andere Sache zu stecken, und die Applikation in diese Richtung weiter zu entwickeln. Etwas, was sehr nachgefragt ist und was wir im letzten Jahr eingeführt haben, ist unsere Publikationslösung: Wenn eine Kanzlei schon ihre interne Dokumentenerstellung automatisiert hat, dann ist die nächste notwendige Frage der Mandanten, ob die Kanzlei das nicht auch für sie digitalisieren kann. Mit unserer Publikationslösung können sie diese Vorlage dann veröffentlichen und verwalten, die Kanzleien verlieren also die Kontrolle nicht. Das ist komplett neu. Wenn man eine Word Datei per E-Mail verschickt, dann ist die Kontrolle weg.


In den Medien seid ihr insbesondere dadurch aufgefallen, dass einige Großkanzleien LAWLIFT im Kanzleialltag benutzen. Was ist denn mit den kleinen Kanzleien?

Das sind auch unsere Freunde, denn da kommen wir her. Wir waren ja selber eine kleine Boutique mit zwei Partnern und weiteren vier Anwälten in der Spitze. Hohe Serverkosten oder Programmierer in eigener Anstellung sind Faktoren, die es gerade kleinen Kanzleien unmöglich gemacht haben, Legal Tech schnell zu nutzen. Bei uns startet man mit 79 €, wenn man die Wertschöpfung verstanden hat. Das machen einige, die nur Eheverträge oder Testamente anbieten oder nur am Arbeitsrecht dran sind. In ihrer täglichen Arbeit haben sie genau die richtige Redundanz dafür und können so eine massive Wertschöpfung entfalten. In Gesprächen teilen sie uns meistens mit: An sowas habe ich schon immer gedacht. Das ist perfekt, schicken Sie mir die Rechnung. Der kürzeste Saleszyklus, den wir hatten war 19 Minuten nach der Vorstellung. Deswegen freuen wir uns auch gerade über die Kanzleien, egal welcher Größe, die diesen Legal Tech Schritt bereits im Kopf gemacht haben. Die einfach gesagt haben, ich brauche eine Software, die meine juristische Logik bei der Dokumentenerstellung abbildet. Wenn man diesen Schritt bereits gemacht hat, dann ist man gut bei uns aufgehoben und braucht nicht mehr.

Hohe Serverkosten oder Programmierer in eigener Anstellung sind Faktoren, die es gerade kleinen Kanzleien unmöglich gemacht haben, Legal Tech schnell zu nutzen.

Trotz allem geht ja der Spuk um, dass es gerade kleine Kanzleien im Zeitalter der Digitalisierung schwer haben werden, sich gegen die Großen zu behaupten. Dies auch aufgrund des höheren Innovationspotenzials in Großkanzleien. Was ist deine Meinung dazu?

Sie haben einen gewissen Nachteil, weil sie nicht das Budget haben, eigene Entwicklung voranzutreiben. Das ist ganz klar, häufig fehlt das Geld. Anders ist es aber bei stark spezialisierten Kanzleien, denn denen geht es auch gut. Das heißt, auch sie könnten sich etwas zurücklegen - es ist aber eine Frage des Willens. Ansonsten herrscht durch die Technologie - auch durch Lösungen wie unserer - eine gewisse Waffengleichheit. Jeder kann sich das Werkzeug für einen erschwinglichen Preis holen und die entsprechenden Leistungen anbieten. Auch junge Anwälte, die ein komplett neues Geschäft in Bereichen aufbauen, in denen sie schon eine gewisse Spezialisierung haben, können gleich mit einer Automatisierung starten. Als Kunden haben wir auch viele kleine Kanzleien. Viele davon aus Sachsen, Nordrhein-Westfalen und aus Baden-Württemberg sowie Bayern. Unsere erste Kanzlei war beispielsweise eine mit sieben Anwälten. Mittlerweile ist sie auf zehn Anwälte angewachsen. Alle arbeiten mit uns.


Ab 10 Lizenzen wird es aber teurer bei euch.

Nicht wirklich. Das Schöne bei uns ist aber, dass wir nicht nach Berufsträgern abrechnen. Das heißt, dass eine Kanzlei mit zehn Mitarbeitern nicht zehn Lizenzen kaufen muss, sondern nur so viele, wie sie möchte. Um bei dem Beispiel unserer ersten Kanzlei zu bleiben: Erst haben sie einige wenige Lizenzen gekauft und mittlerweile hat jeder Anwalt eine. Viele Vorlagen werden erstellt, ein Notariat wurde angehängt und es läuft alles gut. Natürlich gibt es auch einen Nachlass, je mehr Lizenzen man erwirbt.


Mein letzter Stand ist, dass LAWLIFT noch nicht fremdfinanziert ist und ihr noch kein Geld durch Sponsoren eingenommen habt.

Ja, da sind wir sehr stolz drauf, dass wir noch kein Geld durch Investoren erhalten mussten.


Hast du generelle Bedenken gegen eine Fremdfinanzierung oder kannst du dir das in Zukunft doch vorstellen?

Wir schließen das nicht generell aus. Voraussetzung wäre aber, dass wir den richtigen Partner haben und einen Plan, bei dem wir wissen, dass er mit mehr Geld auch funktioniert. Mit dem Investment verpflichtet man sich, gewisse Ziele einzuhalten. Hält man die Ziele nicht ein, bekommt man die nächste Ausschüttung nicht und muss den Betrieb einstellen. Man muss schon ziemlich gut vorhersehen können, damit das aufgeht. Dass das nicht oft der Fall ist, weiß ja jeder. Es ist halt immer eine schöne Presse- und Marketingmitteilung, dass man eine Finanzierung bekommt, aber am Anfang bekommt man eben gar nicht den ganzen Betrag. Man erhält einen Term Sheet und die Auszahlung ist von verschiedenen Schritten abhängig. Gerade am Anfang kann es sein, dass man sein Produkt noch anpassen muss. Dann ist es aber schlecht, wenn man sich durch eine Finanzierung schon auf ein Ziel festlegen musste und man Probleme bekommt, den Term einzuhalten. Dann kann alles schnell zu Ende sein. Wir aber bewahren uns vorerst durch unsere Unabhängigkeit mehr Flexibilität und solange wir es nicht müssen: Umso besser. Wir sind im Moment nicht darauf angewiesen und können uns aus den Einnahmen gut finanzieren. Paradoxerweise steigt dann das Interesse der Investoren noch mehr.


Es hat dir und Konstantin beim Gründen von LAWLIFT auch ein Stück geholfen, vorher eine eigene Kanzlei zu haben? So konntet ihr ein Teil des Geldes dafür verwenden.

Das ist richtig. Wir haben die Gründung über unsere Einnahmen bei der Kanzlei finanziert. In den ersten zwei Jahren haben wir sozusagen unser privates Geld reingesteckt und uns Arbeitszeit frei geschaffen. Ohne das wäre es schwierig(er) gewesen.


Jetzt will ich trotzdem noch einmal nachhaken: Stell dir vor Google würde morgen anrufen und dir 70 Millionen Euro für LAWLIFT bieten. Würdest du darauf eingehen?

Das ist eine schöne Frage. Es ist natürlich verlockend, aber es hängt in aller Regel immer von den weiteren Bedingungen ab.


Und vom Bauchgefühl her?

Es ist verlockend. Es ist aber auch nicht unser Hauptziel, ein Unternehmen zu bauen, um es zu verkaufen. Es liegt uns daran, ein gutes, schnell wachsendes Unternehmen aufzubauen, das mit einer Glaubwürdigkeit und mit einem Vertrauen am Markt ist. Deswegen müsste es insgesamt einfach passen.


Wie viel Erfolg kann man denn bei der Gründung eines Start-ups oder Unternehmens planen und wie viel ist davon auch Schicksal oder glückliche Fügung?

Das weiß man nie vorher. Es war sowohl Zufall als auch Glück, dass das Thema Legal Tech gerade 2016 aufkam. Der Gründungszeitpunkt hat für uns zeitlich gesehen sehr gut gepasst, da wir schnell an Bekanntheit gewonnen haben. Dann folgte darauf eine Hands-on-Phase im Jahr 2018, wo die meisten auch wirklich losgelegt haben. Zuerst kommt der Hype und dann die Abschwächung. Dann muss eine realistische Beurteilung der Möglichkeiten erfolgen, um zu schauen, was alles realisierbar ist. Irgendwann wird es fast selbstverständlich, dass so etwas genutzt wird. Ich hoffe, dass wir in fünf Jahren soweit sind. Aber ansonsten sollte man nicht alles auf die Karte Glück setzen, sondern so viel wie möglich versuchen, dass der Anteil an Glück möglichst gering ist, auf den man angewiesen ist.


Würdest du aus der heutigen Sicht bei einer erneuten Gründung etwas ändern?

Ich glaube, dass wir es komplett anders angehen würden, weil wir natürlich viel mehr Erfahrung gesammelt haben. Das liegt in der Natur der Sache. Ein Unternehmen funktioniert komplett anders als eine Kanzlei. Wenn man nur zu zweit oder zu viert arbeitet, kann man sich die Sachen zuwerfen, die zu erledigen sind. Momentan liegt unsere Mitarbeiteranzahl im zweistelligen Bereich, sodass es von entscheidender Bedeutung ist, Strukturen aufzubauen. Das sind alles Themen, bei denen man einmal die Erfahrung sammeln muss - Erfahrungen, die man aber dann auch fürs ganze Leben hat. Danach weiß man, wie es funktioniert und alles wird insgesamt auch schneller. Ich würde aber auf jeden Fall wieder etwas gründen, weil es einfach Spaß macht und man enorm viel lernen kann. Voraussetzung ist aber, dass man sich die Rahmenbedingungen dafür setzen kann. Das wird aber leider nicht jedem ermöglicht. Aus diesem Grund gibt es ja Investoren und andere Programme. Insgesamt sollte es aber viel mehr solcher Unterstützungsprogramme geben. Auch da gibt es noch Potential.


Du hast es eben auch schon anklingen lassen, wie ihr strukturiert seid. Habt ihr zum jetzigen Zeitpunkt spezielle Rollen und spezielle Zuständigkeiten?

Ja klar. Das fühlt sich so an, als würde man immer schwerfälliger werden. Da spielt Kommunikation eine ganz wichtige Rolle: Wir haben ganz klassisch den Support, den Customer Success und den Bereich Sales, also den Vertrieb - wobei wir den nicht als klassischen Vertrieb verstehen. Das geht eher mit Customer Success und Support einher. Zudem haben wir noch unsere Entwickler und den Bereich der Produktentwicklung, wobei es zwischen den einzelnen Positionen auch Überschneidungen gibt. Aber gerade im Bereich Support und Customer Success haben wir auch ausschließliche Zuständigkeiten, weil es da einfach viel gibt, was getan werden muss.


Unser Workshop mit LAWLIFT

Wer mehr über unseren Workshop erfahren will, kann sich hier einen Teilnehmerbericht von Philipp Kürth durchlesen.


Ihr veranstaltet gerne Workshops mit Studierenden - auch wir von eLegal durften ja schon mit euch einen Workshop ausrichten. Was ist eure Motivation dahinter?

Wir wollen Studenten, die wissen, was heute möglich ist. Uns ist es wichtig, dass die Studierenden auf die Arbeitswelt vorbereitet sind - auf das, was nach dem Studium kommt. Ich persönlich habe mich, als ich studiert habe nicht genug auf die Arbeitswelt vorbereitet gefühlt. Man weiß ja regelmäßig nach dem Referendariat, was man nicht will und gerade auf das Leben als Anwalt ist man durch das Studium nicht vorbereitet. Das kann im heutigen Studium schon besser sein. Wichtig ist es, die Studenten für diesen Bereich zu sensibilisieren und sie darüber aufzuklären und ihnen zu zeigen, dass man auch anders denken kann. Die Revolution zu meiner Zeit war die digitale Datenbank. Die klassischen Bibliotheken mit den ganzen Buchrücken habe ich schon damals als komplett überflüssig empfunden. Ich persönlich arbeite nämlich viel lieber mit Datenbanken und mit Schlagwörtern. Da muss man kreativ hinsichtlich der Schlagwörter sein, um die richtigen Entscheidungen zu finden. Diese Art zu arbeiten ist viel schneller und genauer und fühlt sich wie ein Spiel an. Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein Student bekommt von seinem Partner die Aufgabe, einen Vertrag zu erstellen. Der Partner sagt zum Studenten, dass er dafür in vier oder fünf Akten reinschauen und daraus einen Vertrag erstellen soll. Genau solche Situationen möchte ich verhindern, weil sie kein gutes Ende nehmen. Eine gut vorbereitete Kanzlei hat dann eine Vorlage parat. Da kann sich der Berufsanfänger durchklicken und fragt sich vielleicht warum ihm diese Frage gestellt wird. Er hat sogar womöglich schon Verbesserungsvorschläge, weil er unser Tool bereits kennt. Er kann so in viel kürzerer Zeit ein viel besseres Ergebnis präsentieren. Der Partner ist glücklich mit dem Ergebnis, weil es seinen Vorstellungen entspricht und der Berufsanfänger fühlt sich sicherer, weil er diese Führung hatte, für die vorher keine Zeit vorhanden war.


Zum Schluss eine "Zurück in die Zukunft"-Frage. Wenn du noch mal wählen könntest: Würdest du den juristischen Studiengang noch einmal wählen?

Ja, ich würde noch mal Jura studieren, aber nur, wenn es noch mehr Legal Tech Angebote gibt. Ich finde es schade, dass es von den Universitäten noch nicht so gepusht wird, wie es eigentlich vorangetrieben werden müsste. Fast immer ist es so, dass man sich nur auf die Examensnote fokussiert und nicht gut auf das Leben danach vorbereitet ist. Durch ein gutes Examen bekommt man vielleicht leichter einen Job, aber danach kommen die großen Fragen. Eine solche Haltung mag noch funktionieren, wenn man nur den Blick auf das Richteramt oder das Beamtentum hat. In anderen Bereichen reicht das alleine aber längst nicht mehr, wenn man wirklich erfolgreich sein will. Es ist wichtig, diese Scheuklappen abzulegen und über den Tellerrand zu schauen.


Vielen Dank für das Interview!


Johannes Honemann

Das Interview führte Johannes Honemann. Johannes studiert im fünften Semester Jura an der Georg-August-Universität Göttingen und arbeitet nebenbei als studentische Hilfskraft bei Prof. Duttge in der Abteilung für strafrechtliches Medizin- und Biorecht.