"Wichtig ist immer, dass man weiß, was diese Technologie kann."

 

Der Begriff "Blockchain" ist für die allermeisten von uns noch ein rotes Tuch, weil die Technologie schwer zugänglich erscheint. Mit diesem, meiner Meinung nach, weit verbreitetem Vorurteil will dieses Interview aufräumen und die Begeisterung für die Technologie und Einsatzmöglichkeiten wecken. Ich habe mit Dennis Hillemann darüber gesprochen, wo er zukünftig potenzielle Einsatzfelder sieht und wie wichtig die Technologie in einer hochmodernen Gesellschaft für uns werden wird.  - Maximilian Ruhrberg


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Dennis Hillemann ist Fachanwalt für Verwaltungsrecht und Partner der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Er berät im Verwaltungs- und Verfassungsrecht Ministerien und Behörden und vertritt diese häufig vor Gericht. Er interessiert sich zudem für die Blockchain-Technologie und ihre Einsatzmöglichkeiten für Wirtschaft und Gesellschaft. Er publiziert häufig auf Plattformen außerhalb der klassischen juristischen Fachzeitschriften, hat zwei eigene Podcasts und mit dem Blockchain Lawyers Network eine globale Juristencommunity zum Thema Blockchain gegründet.


Zum Einstieg die erste Frage: Wie bist Du überhaupt zu Jura gekommen und wo hast Du studiert?

Schon als Kind war für mich eigentlich immer der Anwaltsberuf total spannend, weil ich selbst ein großer Film-Fan war und bin. Mich haben immer die Anwälte im Film fasziniert, die fand ich immer cool. Als Jugendlicher konnte ich immer sehr gut schreiben und sprechen, daher habe ich dann Jura studiert. Für mich war immer klar: Ich will Anwalt werden. Besonders inspirierend waren für mich dabei Filme wie „Mein Vetter Winnie“ und „Eine Frage der Ehre“, die haben mich als Jugendlicher interessiert. Ich habe dann in Hamburg studiert und bin auch gleich nach dem Examen in Hamburg hängengeblieben. In der Zwischenzeit habe ich nichts anderes gemacht, weil ich dann auch gleich Repetitor wurde. Ich war bei Naumann zu Grünberg als Repetitor für öffentliches Recht und Strafrecht. Und deswegen bin ich letztlich immer in Norddeutschland geblieben.


Also bist Du ein absolutes Nordlicht?

Absolutes Nordlicht. Nordisch by Nature, wie es schon Fettes Brot zutreffend gesungen haben.


War der Film Der Pate I (Anm. d. Red.: Engl. The Godfather, Film von 1972, Regisseur: Francis Ford Coppola) auch eine Inspiration für Dich? Oder war das zu verrucht?

Tom Hagen ist schon eine tolle Figur, das muss man ganz klar sagen. Der Consigliere des Paten. Aber natürlich wollte ich nie der Consigliere eines Paten werden.


Du bist dann erst über Umwege bei KPMG Law in Hamburg gelandet, oder?

Genau, ich war vorher in der Kanzlei Naumann zu Grüneberg tätig, die ich ab 2009 auch als Geschäftsführer geführt habe. Diese Kanzlei ist insbesondere im Verwaltungsrecht tätig und ich selbst habe dort sehr viel Hochschulrecht gemacht. Dann bin ich im April 2016 zu KPMG Law gewechselt., wo ich zunächst als Senior Manager tätig war, um den Bereich Wissenschaft bundesweit aufzubauen. Dazu gehört vor allem die Betreuung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Bereich der Rechtsberatung, zusammen mit den anderen Services der KPMG, insbesondere unseren Steuerberater*innen und sonstigen Kolleginnen und Kollegen im Bereich der Steuern. Das habe ich dann erst einmal gemacht, aber daneben bin ich auch wieder sehr stark in die allgemeine verwaltungsrechtliche und verwaltungsprozessrechtliche Beratung eingestiegen. Insbesondere mit der ständigen Betreuung eines Bundesministeriums, was ich bis heute mache. Daraus haben sich dann mit der Zeit ein großes Team und auch ein großes Beratungsfeld entwickelt.


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KPMG Law ist als rechtlich eigenständige Wirtschaftskanzlei mit der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft assoziiert und dadurch dem KPMG-Netzwerk unabhängiger Mitgliedsfirmen, die der KPMG International Cooperative angeschlossen sind, eng verbunden. Die KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (KPMG Law) ist eine international ausgerichtete multidisziplinäre Kanzlei. Gegründet im Jahr 2007, sind sie heute mit über 350 Anwälten an 16 deutschen Standorten vertreten. Ihr Expertenwissen bündeln sie in disziplinübergreifenden Practice Groups.


Spannend! Und wie passt jetzt der öffentliche Sektor bzw. das öffentliche Wirtschaftsrecht oder die Beratung von Ministerien zusammen mit dem Thema Blockchain? Wie bist Du aus Deiner Tätigkeit zum Thema Blockchain gekommen?

Auf das Thema Blockchain bin ich zuerst im privaten Bereich gestoßen. Mein Schwager hat ein kleines Blockchain-Projekt gestartet. Wir haben uns immer ganz eng zu dem Thema ausgetauscht. Das war natürlich auch die Zeit, in der gerade das Thema Kryptowährungen immer mehr an Bedeutung gewann und entsprechend in den Medien aufkam. Ich habe mich dann zunehmend mit der Technologie beschäftigt und mich darum bemüht, sie zu verstehen. Hierzu habe ich dann erste kleine Veröffentlichungen publiziert, insbesondere auf der Plattform Medium. Daraufhin wurde ich dann eingeladen, an einer Expertenkommission beim Deutschen Institut für Normierung teilzunehmen, dem DIN, das wir alle von der DIN-A4-Norm kennen, um an einer DIN-Norm zum Thema Blockchain mitzuarbeiten. Deswegen habe ich mich dann mit dem Thema noch intensiver beschäftigt. Das hat letztlich alles neben der regulären Arbeit stattgefunden. Bei dieser Tätigkeit habe ich mich mit vielen Experten aus Deutschland vernetzt., weshalb das eine ganz tolle Arbeit für mich war und ist. Dort bin ich auf junge Menschen gestoßen, vor allem junge Gründerinnen und Gründer, die im Blockchain-Bereich tätig sind, hochintelligente, hochspannende Menschen, die konnte ich dann als Jurist begleiten. Das war ein ganz tolles Projekt, und so ist mir das Thema Blockchain letztlich am Herzen geblieben, und ich verfolge das Thema weiterhin. Ich glaube, dass das Thema Blockchain insgesamt in der Zukunft eine große Rolle spielen wird. Dabei freue ich mich natürlich auch darüber, als Jurist einer der wenigen zu sein, die hier früh publiziert haben, die sich früh mit dieser Thematik beschäftigt haben. So bin ich - kurz zusammengefasst - zum Thema Blockchain gekommen.


Cool, das geht mir tatsächlich ähnlich. Meine Mutter ist Kunsthistorikerin und ich bin durch sie auf das Kunstrecht aufmerksam geworden, das heute ein Hobby von mir geworden ist. Wie z.B. Bilder von jungen Künstlern zu sammeln. Als Jurist trifft man in seiner Laufbahn auf viele Leute, die starr den Jura-Weg verfolgen und mir war es immer wichtig, fernab vom Thema Jura ein weiteres Hobby zu haben und den Austausch mit Leuten zu suchen, die in einem anderen Bereich tätig sind. Das empfinde ich als sehr fruchtbar für mich selbst und die persönliche Weiterentwicklung.

Total. Gerade in diesem Blockchain-Bereich, wenn du mit Menschen sprichst, mit Gründern von Tech–Unternehmen, die Visionen für die Zukunft haben. Das ist super spannend. Da nimmt man persönlich auch ganz viel mit, außerhalb seines eigenen besonderen Bereiches. Und es ist aus meiner Sicht ganz wichtig, sich nicht nur mit Juristen auszutauschen.


Genau. Wie würdest Du jemandem, der keine Vorkenntnisse hat oder mit wenig Kenntnissen in das Thema Legal–Tech allgemein bzw. in das Thema Blockchain startet, die Blockchain–Technologie einfach, runtergebrochen, erklären? Oft wird das Thema Blockchain relativ komplex im Internet zum Beispiel auf Wikipedia erklärt. Zitat: „Eine Blockchain ist eine kontinuierlich erweiterbare Liste von Datensätzen, Blöcke genannt, die mittels kryptographischer Verfahren miteinander verkettet sind."

Vielleicht erst einmal eines vorab. In der Tat ist es ein Problem der Blockchain Technologie, dass sie immer so komplex erklärt wird und deswegen so sperrig ist. Ganz offen gesagt: Ich nutze auch das Internet, ohne dass ich vollständig verstehe, wie das funktioniert oder ich hole mir auch ein kaltes Bier aus meinem Kühlschrank, ohne dass ich genau weiß, wie der funktioniert. Wichtig ist immer, dass man, insbesondere als Jurist, weiß, was diese Technologie kann. Natürlich musst du als Jurist, wenn du dann stärker daran arbeitest, die Grundsätze verstehen. Aber ich glaube, es ist nicht notwendig, die Technologie in allen Details zu verstehen. Wenn man es einmal ganz einfach runterbricht, dann ist Blockchain eine Technologie einer dezentralen Datenbank, die besonders fälschungssicher ist. Um das mal aufzuschlüsseln: Wir alle speichern unsere Daten häufig noch zentral auf unseren Computern und Handys. Aber auch, wenn wir etwas in der Cloud speichern, ist es so, dass die Daten auf einem bestimmten Speicher liegen, und wenn wir Daten mit anderen austauschen, dann werden sie von einem zum anderen Speicher übertragen. Also - bildlich gesprochen - von einem Silo, in dem wir unsere Daten speichern, zu einem Silo des anderen. Wenn wir dann auf die Richtigkeit und Integrität von Daten vertrauen wollen, dann brauchen wir in der Regel einen Dritten, der dazwischengeschaltet wird, einen Mittelsmann, der die Richtigkeit dieser Daten bestätigt. Ganz simpel erklärt: Wenn ich jemandem Geld überweise, dann wir dieses von meiner Bank zu dessen Bank übertragen. Die Banken tragen dabei die Gewähr dafür, dass diese Überweisung tatsächlich passiert ist, dass ich das Geld hatte und dass das Geld auch tatsächlich übertragen wurde. Sie haben also letztlich eine ähnliche Funktion wie ein Notar im Anwaltsbereich, nämlich die, zu bestätigen, dass ein bestimmter Wert bei mir vorhanden war, der dann zum anderen übergegangen ist. Die Blockchain-Technologie ist in einer Zeit der Finanzkrise entstanden, als das Vertrauen in Institutionen, insbesondere in Banken, erschüttert worden war. Ein bis heute unbekannter Erfinder, Satoshi Nakamoto, hat sich eine Technologie ausgedacht, mit der wir Daten dezentral speichern Transaktionen von Daten vornehmen können, ohne dass ein Dritter (eine Bank, ein Notar) dazwischengeschaltet ist. Wenn wir uns das im Detail noch einmal veranschaulichen wollen, dann bedeutet das, dass wir die Daten dezentral speichern. Sie sind nicht nur an einem Speicherort, sondern an mehreren Speicherorten, den Teilnehmern einer Blockchain, dezentral gespeichert. Die Blockchain wird dabei ständig chronologisch weitergeschrieben und in dieser Form auch chronologisch dezentral, bei allen Teilnehmern, ständig gespeichert. Das bedeutet erstens, wenn jemand die Blockchain Daten später verändern möchte, dann muss er immer die Mehrheit der Teilnehmer-Computer kapern – was schon einmal sehr, sehr schwierig ist. Angeblich kann das heute bei einer großen Blockchain nur die NSA. Zweitens ist es mir durch die chronologische Speicherung auch nicht möglich, ganz einfach einen Teil der Einträge aus der Vergangenheit zu ändern, weil alle anderen Transaktionen, die danach kamen, dann auch verändert werden müssten. Das heißt, es ist technisch ganz, ganz schwierig bis unmöglich, die Blockchain nachträglich entsprechend zu ändern. Deshalb haben wir durch die dezentrale Speicherung und die chronologische Fortschreibung der Daten auf der Blockchain ein mächtiges Sicherungsinstrument. Dieses Instrument stellt sicher, dass die Daten auf der Blockchain richtig sind, dass sie nachträglich nicht verändert wurden und wir auf sie vertrauen können. Dadurch entfällt schlussendlich der Mittelsmann, den wir aktuell häufig noch bei Transaktionen brauchen. Wir können beispielsweise direkt miteinander Werte tauschen, ohne dass wir eine Bank dazwischen brauchen. Denn durch die beschriebenen Besonderheiten der Blockchain-Technologie ist es uns möglich, auf die Richtigkeit der Daten – der eine hat den Wert, der andere bekommt den Wert – zu vertrauen. Das macht im Kern die Blockchain-Technologie aus. Es handelt sich um eine dezentrale Datenbank, die besonders fälschungssicher ist und es deswegen ermöglicht, dass wir Daten und Werte austauschen, ohne dass Dritte daran als „Verifizierer“ beteiligt werden.


Blockchain

Eine Blockchain ist eine dezentrale Datenbank, die anders als eine herkömmliche Datenbank ihren Inhalt nicht auf einem einzigen Computer, sondern auf einer unbestimmten Vielzahl speichert. Datenbankeinträge werden in Blöcken gespeichert und dem vorigen Block (also Dateneintrag) angehängt. Durch einen Konsensmechanismus aller Computer und dem Einsatz digitaler Signaturen wird die Authentizität und allgemeine Gültigkeit eines jeden Eintrags auf allen Computern festgestellt. Die Änderung des Inhalts eines Blocks setzt die konsensgestützte Änderung aller angehängten Blöcke voraus. Ab einer gewissen Anzahl angehängter Blöcke gilt ein Block als unveränderbar. Als prominentes Beispiel nutzt etwa die Bitcoin-Währung die Blockchain-Technologie um Transaktionen zu verifizieren.


In der Vorbereitung auf unser Gespräch habe ich mich auch etwas mit der Blockchain beschäftigt (lacht). Im Zuge dessen habe ich mich, auf Anraten eines Freundes, mit der Vorlesung zum Thema Blockchain von Dr. Pavel Kravchenko (Anm d. Red.: Gründer des „Distributed Lab“) von der LMU auseinandergesetzt. Er beschreibt die Blockchain wie folgt: „Blockchain is a secured method to store and synchronize data between parties that do not trust each other."

Das ist völlig richtig, weil eben die Technologie das Vertrauen herstellt.


Ich würde das gern noch einmal anhand eines Beispiels verdeutlichen: Wenn ich als Privatmann eine Transaktion machen, zum Beispiel eine Überweisung an meine Mutter tätigen möchte, dann ist die Bank als dritte Partei im Rahmen der Verifizierung im Online-Banking, zum Beispiel beim Tan-Verfahren, beteiligt. Diese Gewähr für Sicherheit bzw. Richtigkeit leistet dann die Blockchain?

Wir können das noch einfacher machen, wenn Du noch einen Schritt zurückgehst. Woher soll denn Deine Mutter wissen, dass Du das Geld tatsächlich hast? Die Bank bestätigt, dass Du das Geld hast, weil sie Dein Konto führt und das entsprechende Guthaben ausweist. Du brauchst also allein für diesen Punkt schon den Nachweis, dass Du das Geld hast. Bei der Blockchain brauchst Du dagegen niemanden, der diesen Nachweis entsprechend führt. Beispielsweise: Wir schauen auf die Kryptowährungen, die auf der Grundlage der Blockchain entstanden sind, auf digitale Werte wie beispielsweise den bekanntesten, den Bitcoin. In den Anfängen der Internutzung gab es die digitale MP3-Datei, die Du mit deinen Freunden teilen wolltest. Also, was hast Du gemacht? Rechtsklick, kopieren und einfügen, wieder auf CD brennen oder ähnliches. Früher, in einer normalen Technologie oder außerhalb der Blockchain, war es möglich, jeden digitalen Wert beliebig zu reproduzieren. Bei der Blockchain in der dezentralen, sicheren Datenbank ist es so, dass es jeden Wert nur einmal gibt. Jeder Bitcoin beispielsweise hat eine bestimmte Verschlüsselung, sodass dieser einzigartig ist. Niemand kann ihn kopieren. Wie sieht es nun aus, wenn Du jemandem beispielsweise einen Deiner Bitcoins senden möchtest? Dann weiß die Blockchain A, dass Du nur einen bestimmten Bitcoin hast und nicht zwei oder drei. Du hast einen, weil dieser eine Bitcoin einzigartig und Dir auf der Blockchain zugeordnet ist. Wenn Du diesen Bitcoin transferierst, dann verlierst Du ihn und er ist bei einem anderen. Jeder digitale Wert wird auf der Blockchain fälschungssicher gespeichert und ist gleichzeitig einzigartig. Auf der Blockchain in unserem Beispiel ist da erst einmal zu verifizieren, dass Du tatsächlich diesen Wert hast. Du hast das Geld, hier also die Kryptowährung, und gleichzeitig verifiziert die Blockchain durch ihre besondere Technologie der chronologischen Speicherung, dass Du den Wert nicht mehr hast, weil es dann an jemand anderen übertragen ist. Beide Funktionen, also die Bestätigung des Wertes bei dir und die Bestätigung, dass dieses Guthaben übertragen worden ist, werden auf der Blockchain durch die Eigenart der Technologie erfüllt. Die Frage ist, was macht die Technologie so besonders? Im Kern vielleicht dieses, dass sie es ermöglicht, dass wir keinen Dritten mehr brauchen, der an der Transaktion beteiligt ist. Die Blockchain-Technologie bietet somit vielfältige Einsatzmöglichkeiten, insbesondere sogenannte Mikrotransaktionen in ganz großem Maße.


Das wäre dann die nächste Frage. Welche Einsatzgebiete bzw. Möglichkeiten der Blockchain siehst du aktuell neben Kryptowährungen und Transaktionen der Kryptowährungen? Das bekannteste Beispiel, was ich zur Blockchain bei Google gefunden habe, war der Bitcoin. Die beiden Begriffe werden meist parallel verwendet. Aber was ist bei dem Thema außerdem noch spannend?

Genau, das ist aktuell das Wichtigste. Ursprünglich wurde Blockchain im Zusammenhang mit Bitcoin entwickelt, daher ist dieser ein ganz wichtiger Anwendungsbereich. Aber wichtig ist eben auch, dass man die Blockchain-Technologie nicht nur auf Kryptowährungen beschränken darf. Die Blockchain kann schließlich überall dort zum Tragen kommen, wie du selbst es schon gesagt hast, wo Parteien miteinander Daten oder Werte austauschen und sich dabei nicht vertrauen, weil sie sich nicht kennen, weil sie noch nie miteinander zusammengearbeitet haben.

Es gibt ganz viele Anwendungsfälle, vielleicht einer der ersten sind die Papiere im Schiffsverkehr. Wenn heute ein Schiff im Hafen anlegt, haben wir immer noch Papiere, klassische Papiere, wie sie teilweise schon vor hunderten von Jahren verwendet worden sind, die per Hand von Hafen zu Hafen abgezeichnet werden und mithilfe derer festgestellt wird, ob eine bestimmte Fracht mit an Bord ist oder nicht. Diese Papiere sind ein Musterbeispiel dafür, dass wir einerseits in einer hochdigitalisierten Welt leben, in der wir Handel mit China betreiben und in die ganze Welt unsere Waren verschiffen. Wir können letztlich mit jedem Menschen auf der Welt kommunizieren, gleichzeitig brauchen wir aber immer noch Papiere, um nach nachweisen zu können, dass bestimmte Dinge geschehen sind. Gerade diese Frachtpapiere sind ein Musterbeispiel der Absurdität, dass dort der Handel an sich zwischen Menschen getrieben wird, die sich noch nie gesehen haben. Ein sehr schöner Anwendungsfall ist es eben, dass diese Papiere digitalisiert werden können. Da gibt es große Projekte, beispielsweise von IBM, damit die Papiere nicht mehr um die ganze Welt geschickt werden müssen, sondern auf Knopfdruck von einem Handy zum anderen Handy übertragen werden können. Und da es diese Besonderheit der Technologie ist, dass die Blockchain fälschungssicher ist und alles chronologisch aufzeichnen kann, kann derjenige, der die elektronischen Papiere auf der Blockchain ansieht, darauf vertrauen, dass sie nicht manipuliert worden und somit echt sind. Das ist ein Beispiel dafür, wie schon heute die Blockchain-Technologie angewandt wird. IBM und Maersk machen dort ein sehr großes Projekt gerade außerhalb der klassischen Kryptowährung.


Spannend, das wäre auf jeden Fall ein totaler Bürokratie-Abbau und eröffnet die Möglichkeit, die einzelne Fracht viel schneller als bisher abzuwickeln. Das einzige, was ich mir dabei als ein bisschen schwierig vorstelle, ist die Durchführung, besonders in Deutschland, wo wir neuen Technologien häufig skeptisch gegenüberstehen. Wenn ich mir jetzt einen alten Hamburger Reederei-Betreiber vorstelle, der schon 40 Jahre auf den Weltmeeren unterwegs war und sich von jetzt an daran gewöhnen muss, Handy an Handy zu halten und kein Papier mehr mit Siegel zu erhalten, der wird wohl große Augen machen. Gleichzeitig ist es natürlich eine schöne Sache, dass es so sicher und nicht so einfach zu fälschen ist wie ein Papier. Das wäre ein großer Fortschritt, was vor allem uns Deutschen als Exportweltmeister das Leben eine ganze Ecke einfacher machen würde. Wo siehst Du denn weitere zukünftige Einsatzgebiete, bei der Blockchain auch eine große Rolle spielen könnte?

Ich möchte drei Beispiele hervorheben, die einleuchtend sind. Insgesamt kann die Blockchain bei Lieferketten eine große Rolle spielen. In Zukunft wird es eine immer größere Rolle spielen, Waren und Dienstleistungen nachhaltig zu produzieren bzw. anzubieten. Das könnte so aussehen, dass wir in Deutschland einen Supermarkt haben, der gegenüber seinen Kunden tatsächlich nachweisen kann, woher sein Produkt stammt. Dieses Fleisch ist tatsächlich Biofleisch und wurde von einem Bauernhof produziert, der sich an bestimmte Bio-Standards gehalten hat. Wenn wir heute an ein Kühlregal, in dem Bio-Fleisch angeboten wird, woher wissen wir denn, dass es tatsächlich biologisch alles ordnungsgemäß produziert worden ist? In Zukunft werden wir auf diesen Waren, die nicht nur Fleischprodukte sein müssen – es kann ja alles Mögliche, zum Beispiel auch ein Getreide-Produkt sein – bestimmte Zeichen haben, vielleicht Bar-Codes, die wir dann mit unserem Handy scannen können. Dann können wir tatsächlich nachverfolgen, woher dieses Produkt kommt, von welchem Bauernhof es stammt. Was macht diesen Bauernhof aus? Wir werden also als Verbraucher Lieferketten zurückverfolgen können. Das ist für uns natürlich hochinteressant, wenn wir selbst nachhaltig einkaufen wollen, um nachhaltig zu leben.

Gleichzeitig werden aber auch unsere Unternehmen im Rahmen des „Green New Deal“ der EU in Zukunft zu stärkerer Nachhaltigkeit verpflichtet werden, sei es etwa in klimatischer Hinsicht bei ihren Lieferketten, sei es aber vielleicht auch in sozialer Hinsicht. Zum Beispiel eine Verpflichtung dazu, dass unsere Kleidung von unter menschenunwürdigen Zuständen arbeitenden Fabrikarbeitern in Bangladesch hergestellt wurde. Diese Lieferketten lückenlos nachvollziehen zu können, dafür ist die Blockchain bestens geeignet. Hier denke ich an das neue Lieferketten-Gesetz, dass der Bund verabschieden möchte. Dabei wird die Technologie eine sehr große Rolle spielen und damit insbesondere auch die Nachhaltigkeit in unserem Kaufverhalten in unserer Wirtschaft.


Dazu ein Gedankengang: Nachhaltigkeit zu leben, wird auch in der aktuellen medialen Berichterstattung großgeschrieben. Wir haben darüber geredet, woher die Sachen kommen etc. Wenn du dann einen QR-Code auf einem Produkt hast und diesen am Handy scannen kannst, dann kann ich direkt am Handy nachvollziehen, woher alles stammt. Jetzt wird es beispielsweise nach Hamburg geliefert und kommt ursprünglich aus dem Süden des Landes. Davor war es vielleicht hier oder dort, wo alles bearbeitet wurde. Ich glaube, wenn das für den Käufer visualisiert wird, dann wird er, auch wenn er keine Affinität zum Thema Nachhaltigkeit hat, die Möglichkeit haben, diese beim Kaufverhalten zu bedenken – und das wird ihn zum Nachdenken anregen.

Für Unternehmen ist es auch ein tolles Verkaufsargument. Die Menschen sagen: "Hey, ich muss nicht mehr das Günstigste kaufen, sondern ich kaufe Dinge bewusster, weil ich auch auf Nachhaltigkeit achte." Dann kann ich als Unternehmen aber auch sagen: „Meine Produkte sind nachhaltig hergestellt worden. Und wenn Du das prüfen möchtest, zum Beispiel am Verkaufsregal als Kunde, dann schau auf den QR-Code.“ Als nebengesetzliche Verpflichtung einfach zu sagen: „Hey, ich stehe dafür voll ein und bin transparent." Ein Anwendungsfall, bei dem die Blockchain eine Rolle spielen wird.

Der zweite Fall ist die digitale Identität. Da kommen wir auch direkt zur Verbindung mit dem Staat. Die Musterfrage dafür ist: Wie kann man sich heute ausweisen? Die Antwort: Wir weisen uns noch mit dem Personalausweis oder Reisepass aus! Das muss man sich einmal klarmachen: Du kannst mit deinem Handy alles machen. Beispielsweise kannst du über PayPal ganz einfach eine Million hin und her verschieben. Du kannst dein gesamtes Leben online offenbaren, dein gesamtes Leben verzocken. Du kannst wirklich alles Mögliche machen. Aber wenn du irgendwo hinreisen willst, dann brauchst du noch deinen Personalausweis. Oder überleg dir mal, wie viele Formulare du ausfüllst, auf denen du immer wieder deinen Namen eintragen musst, dein Geburtsdatum, deine Herkunft etc. Das ist unsere alte, analoge Welt. Es wird dann die Möglichkeit geben, dafür gibt es schon große Projekte, an denen auch die EU interessiert ist, dem einzelnen Menschen eine einzigartige digitale Identität zu geben, mit der er sich überall ausweisen kann. Sei es beispielsweise beim Übertreten von Staatsgrenzen, sei es bei Geschäften im Internet. Diese digitale Identität wird dadurch fälschungssicher, dass sie auf der Blockchain gespeichert wird. Das ist ein ganz toller Anwendungsbereich der Blockchain, der meines Erachtens in Zukunft eine riesengroße Rolle spielen wird.


Ich habe vor einiger Zeit eine Vice-Doku über Estland gesehen, in der dieser Staat als Vorreiter der Digitalisierung gezeigt wurde. Dort gibt es keine Postboten mehr, keine Busfahrer. Neugeborene kriegen nach der Geburt eine Nummer für ihre digitale Identität, die ihr ganzes Leben lang gilt. Und alle, die zum Zeitpunkt der Einführung schon gelebt haben, bekommen auch eine Zahlenreihe zugeordnet. In Deutschland wäre das meines Erachtens aber schwierig umzusetzen, weil den Deutschen der Datenschutz sehr wichtig ist. Bei Corona wird das wieder ganz deutlich, dass viele in Deutschland ein Problem damit haben, ihre Daten - zumindest in bestimmten Situationen - bewusst zu offenbaren. Im Kaffee wollen viele ihre persönlichen Kontaktdaten nicht freigeben, weil sie Daten-Diebstahl fürchten. Gleichzeitig offenbaren die gleichen Personen aber ihre Daten bei Instagram oder bei WhatsApp usw. Was würdest Du den Personen sagen, die Angst vor unzureichendem Datenschutz bzw. Daten-Diebstahl haben?

Erstens muss natürlich auch die Blockchain immer datenschutzkonform ausgestaltet werden. Aber die Blockchain hat einige schöne Vorteile. Zum einen ist sie durch ihre starke Verschlüsselung und durch ihre Art der chronologischen Speicherung besonders fälschungssicher. Zum anderen ist sie sehr nachvollziehbar. Das ist gerade der Witz der Blockchain, dass immer alles abgespeichert wird. Das heißt, die Gefahr, dass meine Daten manipuliert werden, ist durch die Art und Weise der Verschlüsselung der Blockchain gering. Aber selbst, wenn meine Daten von einem Dritten genutzt werden, kann ich es anschließend nachvollziehen. Das heißt, dass die Blockchain im Kern besonders für den Datenschutz geeignet ist, weil sie nämlich alles transparent macht. Dass bei der Blockchain die Daten hoch verschlüsselt sind und nur der berechtigte Dateninhaber an seine Daten kommt, ist vielen leider nicht bewusst. Kein soziales Netzwerk kann meine Daten an einen Dritten weiterverkaufen, ohne dass ich es merken würde. Das macht die Blockchain eben aus, aber ist leider bei vielen noch nicht in den Köpfen angekommen. Viele denken noch beim Thema Blockchain: "Das wird ja überall zentral gespeichert." Ja, aber auch hoch verschlüsselt! Und nur der berechtigte Dateninhaber kommt schlussendlich auch an die Daten.


Die Blockchain kann somit als Tresor der Bank bezeichnet werden?

Richtig, ganz genau! Der Verschlüsselungscode ist so stark, dass derzeit und in absehbarer Zeit kein Computer in der Lage sein wird, den Code zu entschlüsseln.

Das dritte Thema, bei dem die Blockchain in Zukunft eine interessante Rolle spielen wird, ist die „Machine2Machine-Economy“. Ein einfaches Beispiel: Wenn du heute beim Bäcker ein Brötchen kaufst, dann ist „Human2Human“ oder „Person2Person“-Economy. Du gibst das Geld und bekommst dafür das Brötchen. Wenn du Geld in einen Kaugummiautomaten wirfst und anschließend ein Kaugummi rauskommt, dann ist das „Person2Machine-Economy“. Du als Person interagierst mit einer Maschine. Was wir in Zukunft noch verstärkt haben werden, ist die angesprochene „Machine2Machine-Economy“. Dabei führen Maschinen untereinander Geschäfte aus. Dazu ein Beispiel: Wir haben hoffentlich irgendwann autonome Fahrzeuge. Jetzt kommst Du an Deinem Arbeitsort mit Deinem autonomen Fahrzeug an und sagst zu dem Fahrzeug: „Okay, park dich mal". Dann fährt das Auto wieder los und funkt drei Parkhäuser an. Es fragt an, ob in dem ersten Parkhaus etwas frei ist, und das Parkhaus eins sagt: "Ja, Du kannst hier heute parken für zehn Euro am Tag." Parkhaus zwei sagt: "Ja, Du kannst hier heute parken für acht Euro am Tag." Parkhaus drei bietet die Dienstleistung für sieben Euro am Tag an. Dein Auto stellt daraufhin fest, dass Parkhaus drei am günstigsten, Parkhaus zwei aber näher dran, nachhaltiger und auch besser geschützt ist. Deswegen fährt das Auto in Parkhaus zwei. Dein eigenes Auto hat dann eine Wallet (Anm. d. Red.: elektronische „Geldbörse“) an Bord und zahlt per Kryptowährung im Parkhaus zwei das Parkticket. Du hast mit dem ganzen Prozess nichts zu tun gehabt. Dadurch entstehen ganz andere Geschäftsmodelle, die heute noch gar nicht wirklich vorstellbar sind.


Welche Einsatzmöglichkeiten siehst Du gerade im Bereich Hoheitsträger oder im Austauschverhältnis zwischen Staat und Bürger? Ein Beispiel: Ich habe jetzt erstmals mein Führungszeugnis online beantragt. Mittlerweile funktioniert das ganz unkompliziert, meiner Meinung nach, jedoch waren auch viele Skeptiker oder Kritiker bei der Einführung dabei. Viele Leute haben sich bekanntlich auch dagegen gewehrt, die Online-Funktion des Personalausweises zu nutzen, weil es die Möglichkeit geben könnte, auf ihre Daten zuzugreifen. Für mich war es aufgrund der Corona-Pandemie und der Schließung der Städte jetzt eine super Möglichkeit, schnell und unkompliziert an mein behördliches Führungszeugnis zu gelangen.

Die digitale Identität ist auf jeden Fall eine schöne Einsatzmöglichkeit. Das zweite, was kommen wird, ist der digitale Euro, was auch das Verhältnis Staat und Bürger betrifft. Wir werden irgendwann unseren Euro als digitale Währung bekommen. Dabei ist dann zumindest eine Blockchain-Variante als Hintergrund sehr wahrscheinlich. Das dritte Feld, auf dem im Verhältnis Staat-Bürger die Blockchain eine große Rolle spielen könnte, sind zum Beispiel Zeugnisse in der Schule. Auch dort bekommt man heute noch eine Urkunde. Es gibt aber schon sehr überzeugende Projekte, die solche Abschlüsse auf die Blockchain „legen“. Gleichzeitig hast du dann die Möglichkeit, selbst darüber zu entscheiden, wer diesen Abschluss einsehen darf. Jemand schickt mir beispielsweise heute eine Bewerbung, in der Regel als PDF. Das Zeugnis des ersten juristischen Staatsexamens ist eingescannt. Ich vertraue dann einfach allein auf diesen Scan. Aber wir beide wissen, dass dies mit Photoshop sehr einfach manipuliert werden kann. Hier könnte Blockchain wiederum eine ganz neue Form von Vertrauen schaffen und das Verhältnis von Staat und Bürgern verändern.


Ich glaube vor allen Dingen, dass es auch im administrativen oder exekutiven Bereich viele Erleichterungen geben kann. Heutzutage werden Führungszeugnisse von den Behörden noch ausgedruckt und weitergeschickt. Ich empfinde den Staat oftmals als sehr träge und langsam, was natürlich auch mit dem riesigen Bürokratie-Apparat im Hintergrund zu tun hat. Ein Grund dafür ist letztendlich auch die Bewahrung vieler Jobs, die gesichert werden müssen. Ich glaube, durch Blockchain könnte einiges für den Bürger erleichtert und der Staatsapparat verkleinert werden, auch wenn damit Jobverlust und „Wegrationalisierung“ einhergehen.

Ich würde das „Wegrationalisieren“ gar nicht so negativ beurteilen. Der Staat wird ein ganz anderes Problem haben, wenn viele seiner heutigen Mitarbeiter innerhalb der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre in den Ruhestand gehen. Für den Staat wird es ganz schwierig werden, Fachkräfte in Konkurrenz zur privaten Wirtschaft zu finden. Das heißt, der Staat hat auch ein hohes Interesse an der Digitalisierung und der Rationalisierung von solchen Prozessen, weil in Zukunft wahrscheinlich schlicht das Personal fehlen wird, um die Prozesse noch in dieser Form durchzuführen. Das heißt, Digitalisierung wird auch durch den demografischen Wandel in Deutschland und durch den Druck auf den Arbeitsmarkt mit Blick auf Fachkräfte noch stark beschleunigt werden.


Du arbeitest auch im Hochschulrecht. Welche rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Blockchain erachtest Du denn als besonders examensrelevant? Das ist jetzt in der Corona-Zeit mit mündlichen Prüfungen oder Klausuren zuhause natürlich viel diskutiert worden. Wie siehst du das?

Derzeit sehe ich dort noch keine Examensrelevanz. Dafür ist die Technologie noch zu weit vom Massenmarkt entfernt und noch zu neu, um in der juristischen Literatur eine große Rolle zu spielen. Ich glaube, die ersten Fälle, in denen die Blockchain tatsächlich in Zukunft in Prüfungen auftauchen könnte, werden in Zusammenhang mit Kryptowährungen stehen. Hier könnte zum Beispiel die Frage auftauchen, wie Kaufverträge über Bitcoins zu bewerten sind. Kann ein Bitcoin einen Mangel haben? Ist das Kaufvertragsrecht oder ähnliches? So etwas kann ich mir vorstellen. Aber dass dazu in nächster Zeit direkt etwas in Examensklausuren kommt, das würde mich schon stark überraschen.


Bist Du zu Beginn der Blockchain bei Kryptowährungen selbst eingestiegen? Und falls ja, hast Du auch mal selbst Bitcoins gefarmt (Anm. d. Red.: „minen“ – Bitcoins selbst herstellen)?

Das letzte kann ich ganz klar verneinen, ich habe nie selbst Bitcoins gemint. Ich habe aber Kryptowährungen gekauft. Allerdings nicht ganz am Anfang, denn dann müsste ich ja heute nicht mehr arbeiten (lacht).


Wie siehst Du denn diese ganze Diskussion über die Nachfahren des Bitcoins, wie Litecoin oder ähnliche Währungen?

Zunächst einmal: Alles, was ich sage, ist keine Investment-Beratung. Wer in Kryptowährungen investieren will, muss sich dazu selbst sehr viel anlesen und sich klarmachen, dass das ein hochgradig volatiler Markt ist. Das zweite ist: Bitcoin ist inzwischen so stark verbreitet und auch als Marke so gesichert, dass ich nicht davon ausgehe, dass der Bitcoin verschwinden wird, jedenfalls nicht in mittelbarer Zukunft. Wobei ich persönlich davon ausgehe, dass die Währung weiterhin eine wesentliche Rolle spielen wird. Drittens, tausende von Kryptowährungen wird niemand brauchen. Viele davon werden aus meiner Sicht in Zukunft verschwinden. Neben dem Bitcoin wird es meines Erachtens aber noch mehrere große Währungen geben, die gegenüber dem Bitcoin bestimmte Vorteile haben, vor allem, weil sie in den Transaktionskosten deutlich geringer sind oder eine bessere Programmierung für sogenannte Smart Contracts haben. Das kann, muss aber nicht, Etherium sein, eine weitere der großen Kryptowährung. Das könnte aber auch durchaus der Litecoin sein, es könnte der Ripple sein. Es könnte Neo aus China sein. Wir werden es einfach beobachten müssen. Es ist ein hochspannender Markt, der gerade sehr viele Teilnehmer hat. Aus meiner Sicht wird es am Ende aber nur einige wenige Gewinner geben.


Gibt es schon einen messbaren oder spürbaren Einfluss der Blockchain auf die Arbeitsweise von Anwältinnen bzw. Anwälten in der täglichen Arbeit?

Das muss ich ganz klar verneinen. Bei den meisten noch nicht. Der größte Bereich ist ganz klar der Bereich der Kryptowährungen und die Fragen rund um die Finanzregulierung derselben. Da gibt es auch durchaus einige Kolleginnen und Kollegen, die sich damit beschäftigen. Viele meiner Kollegen kennen sich auch mit dem Thema Datenschutz sehr gut aus. Aber für einen Anwalt wäre es noch viel zu früh - das ist ähnlich wie beim Internet - das als sein alleiniges Geschäftsfeld zu sehen. Das Internet hat am Anfang auch noch keinen vollständig ernährt, aber heute sieht das natürlich ganz anders aus. So ähnlich wird es dann mit Blockchain auch sein.


Zum Abschluss: Du hast selbst das Blockchain Lawyers Network gegründet. Was sind denn Sinn und Zweck dieses Netzwerks und in welcher Funktion bist Du selbst dort tätig?

Das ist ein geschlossenes soziales Netzwerk, das auf der Plattform Mighty-Networks beruht, wo jeder sein eigenes soziales Netzwerk gründen kann. Es geht darum, dass Blockchain in den Kinderschuhen seiner Regulierung steckt und gerade viele Administrationen, Gesetzgeber und Körperschaften natürlich noch sehr unsicher sind, was die Blockchain konkret ist und was man damit machen kann. Dieses Netzwerk dient dazu, dass Juristen sich weltweit zum Thema Blockchain und Blockchain-Regulierung austauschen und insbesondere vergleichen können, welche Regulierungen andere Staaten einführen. Es gibt Bereiche, in denen Deutschland durchaus fortschrittlich ist, so dürfen können etwa auch Banken Kryptowährungen verkaufen. Es gibt aber auch Bereiche, in denen Deutschland anderen Ländern, wie beispielsweise den USA, deutlich hinterherhinkt. Und es ist für alle Juristen, die sich mit dem Thema ernsthaft beschäftigen, äußerst interessant zu sehen, welche Regulierungsansätze es weltweit gibt, um best practices zu lernen. Dazu dient dieses Netzwerk, dass ich als Gründer führe. Es ist kostenlos und alle Juristen, die sich für das Thema interessieren und sich weltweit austauschen möchten, sind eingeladen, daran teilzunehmen. Eine Initiative von mir, um Menschen miteinander zu vernetzen.


Spannend! Dann wollen wir doch noch einmal auf Deinen Podcast zu sprechen kommen, welchen Du mit großem Einsatz führst. Was kann ich denn überhaupt im Podcast "Recht im Ohr" mit Dennis Hillemann erfahren?

Gehen wir doch erst zum englischen Podcast, denn den habe ich als ersten gegründet, nämlich "The Blockchain Lawyer". Ein sehr plakativer Name. Aber er sollte keinen Zweifel lassen, worum es geht, nämlich um Recht und Technologie und natürlich die Technologie hinter der Blockchain. Da der Blockchain-Bereich englischsprachig ist, ist auch dieser Podcast daher von mir englischsprachig aufgesetzt worden. Das war einfach ein Projekt, auf das ich total Lust hatte und auch mal schauen wollte, was da so passiert und wie das aufgenommen wird. Das war total super. Was dann passiert ist, das hat überhaupt nichts mit KPMG zu tun. Das war eine reine Privatinitiative und dementsprechend einfach ein Hobby, das dann ganz viel Spaß gemacht hat. In dem Podcast erkläre ich die Blockchain-Technologie, erkläre aber auch, welche rechtlichen Problemstellungen es im Zusammenhang damit gibt und ganz häufig gebe ich auch meine persönliche Meinung dazu, ob ein Problem mit der Blockchain sinnvoll gelöst werden kann oder nicht. Also, ob und was aus meiner Sicht die Blockchain-Community richtig macht und was nicht. Das heißt, wer sich für das Thema Blockchain interessiert und vielleicht auch juristisch etwas mitnehmen möchte, ist herzlich eingeladen.


Auf jeden Fall ein schöner Podcast, den ich sehr empfehlen kann. Um noch einmal auf Deinen deutschsprachigen Podcast zurückzukommen, das mit dem Blockchain Lawyer haben wir jetzt quasi vorgezogen. Das bekannte Phänomen in der Musik: Man fängt an, auf Englisch zu singen und dann kommt man auf die Idee, vielleicht kann ich es mal auf Deutsch probieren. Die Blockchain-Community ist eigentlich eine englischsprachige Community. Wie kamst du denn dann darauf, noch "Recht im Ohr" zu starten? Ist das jetzt ein deutschsprachiges Angebot zur Blockchain oder sozusagen noch ein Zusatz, in dem es nicht nur um die Blockchain geht?

Letzteres. „Recht im Ohr“ ist ein Zusatz, bei dem es nicht nur um Blockchain geht. Blockchain spielt ab und zu eine Rolle, aber nicht nur. Da geht es eher um Themen, die mich in meiner Praxis beschäftigen. Also um Rechtsprobleme, über die ich gerne mit Gästen rede. Hier beschäftige ich mich mehr mit auf den deutschen Markt ausgerichteten Themen. Während Corona hat das Ganze etwas geruht, da ich von meiner Arbeit her wahnsinnig viel zu tun hatte, weshalb ich deswegen gar nicht so richtig die Zeit dafür gefunden habe. Aber jetzt, nach der Sommerpause, wird das auch wieder ganz stark losgehen. Das war einfach ein Thema, bei dem ich dachte, dass ich neben einem englischen Podcast auch einen deutschen machen kann.


Da hast Du jetzt die perfekte Überleitung geschaffen. Du bist Partner in einer Großkanzlei, sitzt gerade auch im Büro, und machst zwei Podcasts. Daneben hast Du auch noch eine Frau, wie Du mir im Vorgespräch erzählt hast. Wie bringt man das alles unter einen Hut und bleibt dabei so gelassen wie Du?

Zum einen ist es im Beruf ist wichtig, ein super Team aufzubauen. Dadurch schaffst du es, Mandate auf hoher Qualität zu beraten und so vorzubereiten, dass man als Partner nicht mehr alles selbst bearbeiten muss. Das ist mir gelungen. Ich habe ein ganz tolles Team, das mich unterstützt, hier bei der KPMG. Das ist das A und O jedes erfolgreichen Partnerlebens. Das Ganze sollte mit ganz viel Spaß bei der Arbeit, aber auch mit hoher fachlicher Qualität einhergehen. Das zweite ist, effizient zu arbeiten. Wir können viel machen, wenn wir effizient arbeiten und uns nicht ständig vom Handy, Netflix, Instagram, Twitter etc. ablenken lassen. Das dritte ist, dass meine Frau eine selbstständige Unternehmerin ist, sie arbeitet also auch viel. Wir sind eine kleine Workaholic-Familie.


Dann gilt bei euch also der alte Spruch: Erst die Arbeit und dann das Vergnügen?

Es kommt drauf an, man kann ja auch die Arbeit, wenn man ein richtig tolles Gutachten geschrieben oder einen Prozess gewonnen hat, durchaus als großes Vergnügen empfinden.


Welche Tipps oder kleinen Kniffe würdest Du denn angehenden Juristen bzw. auch jungen Anwälten mitgeben, die ihren beruflichen Werdegang noch vor sich haben?

Eine spannende und tolle Frage! Es gibt natürlich ganz viele Tipps und Tricks, die ich auch erst im Laufe der Jahre gelernt habe, häufig auch durch trial and error, wenn man ganz ehrlich ist. Wenn ich das eine nennen müsste, was mir geholfen hat, erfolgreich zu sein, dann ist es, gut schreiben zu können. Als Jurist müssen wir ganz viel schreiben. Eines der wichtigsten Prinzipien, welche ich auch in meinem Team lebe, ist, dass wir nicht im trockenen Juristendeutsch schreiben sollten, denn Mandanten möchten kein trockenes Juristendeutsch lesen, zumindest nicht immer. Sondern wir müssen so schreiben, dass Menschen das, was wir schreiben, gut verstehen können und dass es lebendig ist. Deswegen rate ich allen jungen Juristinnen und Juristen, nicht nur Juristendeutsch zu lesen, sondern auch mal zum Roman zu greifen, zur Tageszeitung und viel zu lesen, um durch das viele Lesen gut schreiben zu können. Da gilt der alte Hinweis meines Lieblingsautors Stephen King: "Wer gut schreiben will, muss viel lesen!" Davon bin ich zutiefst überzeugt.


Ein schönes Schlusswort. Vielen Dank für das angenehme und anregende Gespräch, lieber Dennis!


Maximilian Ruhrberg

Maximilian hat an der Georg-August-Universität Rechtswissenschaften studiert. Er ist zur Zeit Rechtsreferendar am Oberlandesgericht Braunschweig.