Interview

FDP

Im Namen der FDP antwortet uns Roman Müller-Böhm, MdB und Berichterstatter aus dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz.

2000px-Logo_der_Freien_Demokraten.svg.png

Teil I: Legal Tech-Gesetz

1) Ihre Fraktion hat am 10.06.2021 im Deutschen Bundestag dem sogenannten "Legal Tech-Gesetz" zugestimmt. Was war für Sie der entscheidende Grund, dem Gesetz trotz aller verbleibenden Streitigkeiten zuzustimmen?

Wir Freien Demokraten haben mit unserem Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Rechtsdienstleistungsgesetz (BT-Drucksache 19/9527) im April 2019 die lange überfällige Reform angestoßen. Die Koalitionsfraktionen lehnten diese ab, präsentierten aber schließlich das von Ihnen angesprochene Gesetz. An einigen Stellen des Entwurfs bestand weitergehender Regelungsbedarf, sodass Ergänzungen bzw. Änderungen dringend erforderlich gewesen wären. Unter anderem sollte nach unserer Auffassung im Rahmen des Gesetzentwurfs gewährleistet werden, dass auch die Angebote der Legal Tech Anbieter stärker als bislang berücksichtigt werden und Schwellenwerte betreffend den Streitwert insoweit keine Rolle spielen dürfen. Jedoch sollte festgestellt werden, dass die mit dem Gesetz erfolgte Reform des Rechtsdienstleistungsgesetztes grundsätzlich einen richtigen Schritt darstellt. Es bedeutet mehr Rechtssicherheit für moderne Inkassodienstleister und die notwendigen Anpassungen an den sich weiterentwickelnden Markt der Rechtsdienstleistungen wurden initiiert. Die Absicht des Gesetzgebers ist demnach zu begrüßen. Auch die Tatsache, dass durch das Gesetz gerade im Hinblick auf die Geltendmachung von Ansprüchen, kleinen und mittelständischen Unternehmen geholfen wird, ist ein besonders bedeutsames Ziel, welches wir Freien Demokraten vollkommen unterstützen. Für uns war es im Hinblick auf die Abstimmung deshalb klar, dass wir einem Vorstoß, sei er auch noch unvollkommen, zustimmen, bevor das Thema wieder auf unbestimmte Zeit in eine andere Legislaturperiode geschoben wird.


2) Erfolgshonorare für Anwälte werden im gerichtlichen Bereich erstmals bei der Geltendmachung von Geldforderungen bis zu € 2000,- erlaubt. Warum einerseits die Lockerung, andererseits aber die Begrenzung? Warum gerade eine Begrenzung auf € 2000?

Wir haben uns als Freie Demokraten stets gegen eine Deckelung von Erfolgshonoraren eingesetzt. Die aktuelle Begrenzung auf 2000 € halten wir für falsch, jedoch ist in der Sache festzuhalten, dass die erstmalige Erlaubnis von Erfolgshonoraren grundsätzlich einen richtigen Schritt darstellt.


3) Die Prozessfinanzierung (also die Übernahme von Verfahrenskosten durch den Anwalt im Falle einer Niederlage) bleibt verboten, für Inkassodienstleister aber weiter erlaubt. Hier ist die Anwaltschaft also weiterhin gegenüber auf Inkassolizenz operierenden Anbietern benachteiligt. Was rechtfertigt es, diese Benachteiligung der Anwaltschaft aufrecht zu erhalten?

Wir Freien Demokraten erachten dieses Verbot der Prozessfinanzierung für Anwälte als strukturelle Benachteiligung. Wir sehen auch hier weiterhin Veränderungsbedarf.


4) In Schadensersatzverfahren gegen Volkswagen hielt die Rechtsprechung die Abtretung von Forderungen an Rechtsdienstleister in einigen Fällen wegen Verstößen der Rechtsdienstleister gegen das RDG für nichtig. Auf Grund der unwirksamen Abtretung waren die Ansprüche mittlerweile verjährt und konnten von den Verbraucherinnen und Verbrauchern nicht mehr geltend gemacht werden. Wie kann der Verbraucherschutz an dieser Stelle verbessert werden?

Für die betroffenen Verbraucher war die Verjährung verständlicherweise sehr bedauerlich. Es bedarf an dieser Stelle einer klaren Bestimmung im Gesetz, in welchen Bereichen und hinsichtlich er welcher Ansprüche Rechtsdienstleister tätig werden dürfen. Ein Unterschied zur damaligen Situation ist die veränderte Rechtslage durch das Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt.


Teil II: Automatisierter Vertragsgenerator als Rechtsdienstleistung?

6)  Der Bundesgerichtshof beschäftigt sich aktuell mit der Frage, ob im Angebot eines Rechtsdokumente-Generators ein wettbewerbswidriger Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz liegt (Streitgegenstand: smartlaw.de / Verfahren: Az. I ZR 113/20; Verkündungstermin am 26.08.2021). Mit einem solchen können individuelle Rechtsdokumente wie Mietverträge durch die Beantwortung einer Reihe von Fragen erstellt werden. Umstritten ist, ob es für das Vorliegen einer solchen einer menschlichen Leistung bedarf.
Handelt es sich Ihrer Auffassung nach bei diesem und vergleichbaren Angeboten um eine Rechtsdienstleistung im Sinne des Rechtsdienstleistungsgesetzes? Was muss aus Ihrer Sicht entscheidendes Kriterium für das Vorliegen einer Rechtsdienstleistung sein?

Die Besonderheit von Dienstleistungen im Bereich Legal Tech zeichnet sich neben entsprechend hinreichenden Rechtskenntnissen in den dem Geschäftsmodell zugrunde liegenden Rechtsbereichen (z.B. dem Miet- oder Reiserecht) auch durch eine besondere technische Komponente aus, so dass für eine Registrierung als Anbieter einer automatisierten Rechtsdienstleistung auch der Betrieb des EDV- Systems und der diesem zugrunde liegenden Software einer Dienstleistung in technischer Hinsicht gewährleistet werden muss. Der BHG hat klargestellt, dass das Rechtsdienstleistungsgesetz liberal und offen für neue Geschäftsmodelle auszulegen ist. Der Markt neuartiger Rechtsdienstleistungen bringt immer innovativere und weitreichendere Geschäftsmodelle hervor. Für einige dieser Modelle hat die Rechtsprechung Rechtssicherheit geschaffen, wie das Urteil des LG Köln zum Vertragsgenerator Smartlaw zeigt, gilt dies jedoch nicht für alle. Kritisch bei einem Vertragsgenerator im Hinblick auf die Voraussetzungen nach dem RDG ist, dass es hier an einer unmittelbaren Kompetenzkomponente durch eine natürliche Person fehlt. Diese mag bei der Erstellung der Fragen des Generators bestanden haben, ist jedoch bei der während der Vertragserstellung beziehungsweise bei der Finalisierung nicht gegeben.


Teil III: Juristische Ausbildung

7) Halten Sie es für nötig, die juristische Ausbildung zu reformieren und an die gewandelten Anforderungen anzupassen, die angesichts zunehmender Möglichkeiten, juristische Aufgaben durch technische Lösungen auszuführen oder zu unterstützen, an Berufsanfänger gestellt werden? Wenn ja, was ist Ihrer Ansicht die größte Baustelle?

Ausbildung muss immer mit der Zeit gehen. Die Digitalisierung und insbesondere die Entwicklungen im Bereich KI zeigen, dass auch im Bereich der juristischen Ausbildung dies Berücksichtigung finden muss. Teilweise ist dies bereits der Fall, teilweise jedoch nicht. Hier ist auch eins der gewichtigeren Probleme zu lokalisieren. Einige Bundesländer haben digitale Elemente im Bereich der juristischen Ausbildung bereits implementiert, hier sei das Ablegen der Klausuren der ersten juristischen Prüfung in elektronischer Form zu nennen. In anderen Bundesländern ist dies auf absehbare Zeit nicht der Fall. Es darf nicht sein, dass die politischen Agenden der Länder den Stand der Ausbildung bestimmen. Hier bedarf es einer pragmatischen Ausrichtung der Ausbildung, die im Sinne der Nachwuchsjuristen ist.


8) Wie werden Sie sich für die Gewährleistung einer zeitgemäßen (→ Digitales) / ausreichend vorbereitenden juristischen Ausbildung einsetzen?

Wir Freien Demokraten haben uns stets für eine am Zeitgeist orientierte Ausbildung eingesetzt, auch die Schaffung einer entsprechenden Expertenkommission unter einer Einbeziehung der Bundesfachschaft Recht wäre zu begrüßen. Ein erster Schritt sollte hier sein, dass die Justizprüfungsämter der Länder die Wahl zwischen einer digitalen und handschriftlichen Ablegung der Klausuren in der ersten juristischen Prüfung ermöglichen.